Damals...
...war es mir nicht bewusst. Also, ich wusste es, aber es war mir nicht bewusst, nicht klar. Wir konnten eigentlich nur verlieren. Kodjo konnte nur verlieren und ich, die wütende Schwarze Frau, ich konnte sowieso nur verlieren.
Aber ich habe ja jetzt Zeit, mir zu überlegen, wie ich das ändern kann.
Wie wir das ändern können.
Du und ich. Wir können das ändern.
Wo war ich stehen geblieben?
Bei mir: der wütenden, Schwarzen Frau. Den Stempel trage ich mit gebrochenem Stolz, denn er hilft mir, Aufmerksamkeit und Empathie bei Menschen zu erzeugen. Das habe ich mir nämlich zur Aufgabe gemacht und es scheint zu funktionieren, immerhin klickst du dich hier schon seit zehn Minuten durch. Und wenn ich ehrlich bin, und das bin ich, dann macht das hier für mich mehr Sinn, als jede Woche auf einer Demo rumzubrüllen und mich von Nazis verprügeln zu lassen. Und wenn ich noch ehrlicher bin, weiß ich eigentlich auch, dass die Nazis immer noch in der Unterzahl sind, auch wenn sie immer wieder mit Heugabeln bewaffnet durch Berlin marschieren und „Ausländer raus“ brüllen. Nein, es geht nicht um die, die dir vor die Füße spucken, oder dich dreckige „N-Schlampe“ nennen. Es geht um die täglichen Herausforderungen von Schwarzen Menschen in diesem Land. Diese vielen kleinen subtilen Stiche, die man nicht sieht, die wir ständig erdulden müssen.
ERDULDEN!
Wie ich dieses Wort hasse.
So beschloss ich also...
...vor ein paar Jahren, Nazis Nazis sein zu lassen und stattdessen lieber anderen Schwarzen Menschen die Möglichkeit zu geben, durch mein Wissen und meine Erfahrung zu helfen, besser mit dieser Scheiße hier klar zukommen. Ich eröffnete meinen Afro-Salon.
Täglich krönte ich die Königinnen und Könige, die durch meine Tür kamen.
Und im Hinterzimmer des Salons...
...erschuf ich einen Treffpunkt für Menschen ohne Papiere.
Für Menschen wie Kodjo also...
...der im Alter von 25 Jahren...
...gerade fertig mit seiner Dissertation in Geschichte an der Universität Accra, seinem Vater mitteilt, dass er nicht dessen Firma übernehmen, sondern nach Berlin gehen würde, um dort bei einer NGO als Historiker zu arbeiten. Er bekam dafür einen deutschen Aufenthaltstitel.
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Ein Papier.
Mehr ist es nicht. Nur ein kleines Stück Papier.
Und ab diesem Zeitpunkt war Kodjo für die Geschichte eben nur noch irgendein x-beliebiger Schwarzer Mann, der nicht mehr das Recht hatte, hier zu sein.
ILLEGAL.
Ja, illegal, sagt man. Illegal war Kodjo. Doch Kodjo wollte weiter in Berlin leben. Denn warum sollte er wieder zurück nach Afrika müssen, wenn die Welt die aller Menschen sein könnte? Man hätte sich fragen können, ob Ghana nicht schön sei, warum er Ghana verlassen hatte. Und Kodjo, geduldig erklärte er immer wieder, dass Ghana nicht nur schön, sondern wunderschön sei, aber dass er Ghana ja schon kannte und einfach mal den Rest der Welt sehen wolle. Und jetzt wolle er immer noch den Rest der Welt sehen, ob mit oder ohne Papiere. Ich war doch hier. Seine beste Freundin.
Und so komisch es klingt, er liebte das Wetter in Deutschland.
Und das klingt jetzt noch komischer, aber er hatte die Hoffnung, dass sich das mit den Papieren irgendwann regeln würde und dass er dann auf Mallorca eine Berliner-Bude aufmachen würde.
Ein Gedankenspiel...
...nannte er diese fixe Idee von der Berliner Bude auf Mallorca immer. Denn warum nicht? Er sagte, wenn er in meinem Hinterzimmer saß, immer, VOX sei voll von Deutschen, die sich auf Mallorca eine Existenz aufbauen, Currywurst oder deutsches Bier oder ihr geliebtes deutsches Brot verkaufen. Warum also nicht er auch?
Warum nicht er auch? Ich kann es Dir sagen. Weil dieses Gedankenspiel ein Privileg von heller Haut und glattem Haar ist. Wenn helle Haut nach Mallorca geht, nennt man das Auswandern, wenn dunkle Haut nach Mallorca geht, nennt man das Migration oder Flucht.
Die Auswanderer bringen dir ihre Bratwurst, ihr Bier und ihr geliebtes Brot, die Migranten bringen Krankheiten, Kriminalität und ficken deine Frau!
Riechst du das?
Ja, du hast Recht. Es riecht nach verbranntem Haar.
Nie wieder Opfer sein in unseren eigenen Geschichten.
Er ist tot!
Verdammt, mein bester Freund Kodjo Awusi ist tot und wir, wir haben jetzt Zeit. Und ich will dir jetzt endlich erzählen, warum Kodjo sterben und das Opfer in seiner letzten Geschichte spielen musste.
Und warum du jetzt hier sitzt.